Anforderung durch AG über erweitertes Führungszeugnis

  • Hallo,

    in unser Firma hat der AG die schon angestellten AN aufgefordert ein erweitertes Führungszeugnis nach Teilhabegesetz und § 72 a SGB VIII vorzulegen.Was rechtlich unstrittig ist.

    Nun haben wir als BR den AG über einen Beschluss und in der Annahme unseres Initiativrecht mit der Übergabe eines Entwurfs aufgefordert mit uns eine Betriebsveinbarung in dieser Angelegenheit abzuschließen.

    Das wir in dieser Angelegenheiten ein erzwingbaren Mitbestimmungsrecht nach §87 ist auch unstrittig.

    Nun hat uns der AG schriftlich mitgeteilt, dass er eine Betriebsvereinbarung in dieser Angelegenheit ablehnt.

    Nun ist unsere Frage:

    Wäre der nächste Schritt ein Beschluss zu fassen und über ein er­zwing­ba­res Ver­fah­ren eine Einigungsstelle einzuberufen um den AG an den Verhandlungstisch zu zwingen oder müssen wir andere Verfahrensabläufe noch beachten?

    Vielen Dank für Eure Antworten im Voraus.

    mfg. frank

  • Hallo

    immer langsam und mit Gefühl. Also wenn er erst einmal ablehnt, noch einmal nachfragen und darauf hinweisen, dass der BR mitbestimmt und der AG sich nicht dagegensetzten kann. Dann dem AG mitteilen, dass sich der BR (mit Beschluss) einen Rechtsanwalt nimmt, um den Vorgang weiterzuführen, mit dem Ziel einer Einigung, notfalls in der Einigungsstelle. (Hier kann schon der Hinweis an den AG kommen: "Achtung, verursacht Kosten die du trägst!") Dann den RA beauftragen, sich mit dem AG zur außergerichtlichen Einigung zusammen zusetzten. Wenn das immer noch nicht geht, dann wird Euch der RA in der Einigungsstelle begleiten. Parallel könnte auf einer Betriebsversammlung auch dort der AG noch einmal vor der Belegschaft nachgefragt werden. Macht Sinn, wenn die Kollegen davon echten Nutzen haben. Somit macht auch hier der AG sich keine Freunde.

  • Hallo, danke für die Antwort.

    Ag wurde schon in mehreren Schreiben mit dem nötigen Respekt und Gefühl auf diese Sachlage der Einigungsstelle hingewiesen.

    In seinem letzten Schreiben, wo er auch die Verhandlung über diese Betriebsvereinbarung ablehnte, schrieb uns noch wenn wir es für notwendig halten doch die Einigungsstelle anrufen könnten.

    Ich denke mal, dass vom BR alle Möglichkeiten der Deeskalation in dieser Angelegenheit versucht wurde.

    mfg. Frank

    l

  • Frank22,

    wie kommt Ihr denn zu dem Schluss, dass hier ein Mitbestimmungstatbestand vorliegt? Ich kann aus Deinen Angaben jedenfalls keinen entnehmen.

    Was wollt Ihr denn regeln, was nicht gesetzlich eh schon geregelt ist?

  • Hallo BMG,

    vielleicht habe ich mich etwas umständlich ausgedrückt.

    Die Anforderung des Führungszeugnises ist gesetzlich geregelt im Teilhabegesetz und im § 72a SGB VIII in Absatz 1. Dies ist nicht regelbar in einer BV. Dies soll auch nicht Bestandteil der BV sein. In dieser soll die Kostenregelung zur Erbringung des Führungszeugnises sein. Denn unser AG möchte die Kosten zur Erbringung auf den AN abwälzen.

    In diesen Fall denken wir schon, dass wir in diesen Fall ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nach §87 BetVG. haben.

    mfg. Frank

  • Hallo,

    schau mal, vielleicht trifft das auf euch zu:

    Wenn ein Jugendhilfeträger aber im Rahmen eines bereits wirksam zustande gekommenen Beschäftigungsverhältnisses eine bei ihm kinder- und jugendnah eingesetzte Kraft zur Beibringung eines Führungszeugnisses auffordert, sind die im Zusammenhang mit diesem Vorgang entstehenden Kosten jeweils voll und ganz vom Arbeitgeber zu tragen: Dies stellt eine einhellig vertretene Auffassung dar, welche bereits vom Deutschen Institut für Jugendhilfe (DIJuF) in seinem Rechtsgutachten vom 14. Juli 200533 begründet sowie von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter34 und vom Bayerischen Landesjugendamt (Landesjugendhilfeausschuss)35 übernommen wurde36.

    das steht hier im letzten Absatz: http://www.sozialrecht-aktuell.nomos.de/?id=1401

    Gruß

    Hubertus

    Ich habe als Kind nicht laufen gelernt um heute zu kriechen.

  • Zitat von Frank22

    Denn unser AG möchte die Kosten zur Erbringung auf den AN abwälzen.

    In diesen Fall denken wir schon, dass wir in diesen Fall ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht nach §87 BetVG. haben.

    Nun ja, das Denken sei euch unbenommen, aber... nach welcher Ziffer des § 87 (1) BetrVG genau seht ihr hier ein MBR?

    Ich finde euren Ansatz ja lobenswert, sehe aber leider auch nicht, wie ihr hier eine BV erzwingen wollt. (Ein intelligenter AG hätte euch das ruhig und sachlich erklärt, und sei es nur, um sich selber vor den (absolut vermeidbaren) Kosten eines solchen Streites zu schützen, aber das ist ja wieder etwas ganz anderes...)

    So wie ich das Urteil verstehe bedeutet das, dass der AG von neuen Kollegen verlangen kann, dass sie ein solches Zeugnis als Einstellungsvoraussetzung mitbringen, ohne dass er das bezahlen muss. Lediglich für bestehende Arbeitsverhältnisse muss er aufkommen.

    Das stellt aber in diesem Fall einen Individualanspruch jedes AN dar. Da ist der BR (erst einmal) völlig außen vor.

    Ich an eurer Stelle würde folgendes machen: bereitet eine Information an die Kollegen vor, in der ihr die Rechtslage (inkl. Urteil etc. pp) darlegt.

    Macht den Kollegen auch klar, dass sie gar nicht erst auf die Idee kommen sollen zum Anwalt zu rennen, weil der mehr kostet als das Zeugnis. (Und genau darauf spekuliert offensichtlich der AG!)

    Ich hoffe, ihr als BR habt einen Anwalt mit dem ihr reden könnt. Lasst euch von ihm erklären, wie das funktioniert über die Rechtshilfestellen beim ArbG Klage einzureichen oder ob man für solche Forderungen auch ein Mahnverfahren einleiten kann (dessen Kosten darf der Gläubiger nämlich dem Schuldner aufhalsen und da es hier ja nicht um eine Lohnforderung geht, sollte das auch gehen). Verbinden würde ich das mit einer Warnung vor Online-Mahnverfahren. Die sind mit Vorsicht zu genießen. Häufig stecken dahinter nämlich teure Inkasso-Büros, die sich ihr Geld auf jeden Fall holen. Wenn nicht vom Schuldner, dann eben vom Gläubiger. Also vorsicht!

    Kurz: lasst euch beraten/macht euch schlau, wie man das Geld kostengünstig einfordern kann und verbreitet dann eine entsprechende Information an die Kollegen. Ich würde sie dem AG einen Tag vorab überreichen mit den Worten: sie wollten es ja nicht billig, dann eben auf dem Weg... (Und wenn er schlau ist, lenkt er dann doch noch ein. Wenn nicht - es ist alles vorbereitet, ab dafür...)

    NACHTRAG:

    Vergiss bitte das Mahnverfahren. Bei den Mahngerichten heißt es ganz klar: Bei Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis sind die Arbeitsgerichte zuständig. Und auch wenn es keine Lohnforderung ist, aus dem Arbeitsverhältnis stammt die Forderung allemal.

    Bleibt also der Weg über die Rechtspfleger bei den Arbeitsgerichten die einem kostenlos helfen eine entsprechende Klage einzureichen.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Hallo Moritz, danke für deine Antwort.

    Den Anspruch auf Mitbestimmungrecht leiten wir vom Hessisches LAG · Beschluss vom 2. November 2006 · Az. 5 TaBVGa 196/06 ab.

    Dort wird vom Gericht dem Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht gem. §87 Abs1 Nr1 zugestanden. Einem solchem Anspruch stehe der Gesetzesvorrang gem. §87 Abs 1 Eingangssatz BetrVG nicht entgegen.

    Würde mich freuen wenn du Dir dies mal anschaust.

    mfg. Frank

  • Ich seh auch ganz klar, dass der Betriebsrat hier eine BV machen sollte und diese auch erzwingen kann. Es geht da ja nicht um das ob sondern um das wie. Was passiert mit den Daten was ist wenn jemand kein Führungszeugnis bringt, was passiert wenn ein Eintrag vorhanden ist usw. Auch auf uns wird dies zukommen und wir sitzen schon am Entwurf einer BV.

  • Zitat von Frank22

    Habe mir mal erlaubt, den direkten Link zum Urteil einzubauen.

    Ich halte das Urteil nicht für anwendbar. Denn in diesem Fall ging es um einen Betrieb, der von sich aus auf die Idee kam, ein solches Zeugnis einzufordern, was ganz klar und unmittelbar eine Frage der Ordnung im Betrieb ist.

    In eurem Fall ist der AG gesetzlich verpflichtet es einzuholen, das hat schon eine andere Dimension.

    Dessen ungeachtet finde ich den Ansatz vom Schweden ja nicht verkehrt, denn der Gesetzgeber mag zwar die Einholung vorschreiben, aber nicht wie damit im Betrieb umgegangen wird. Insofern wäre das zumindest ein Ansatz, wo man Regelungsbedarf sehen und einfordern kann.

    Letztlich gilt hier: was habt ihr zu verlieren. Versucht es. Und wenn ein ArbG sagt, nee, das reicht nicht für eine BV, dann haben wir alle (auf Kosten deines AG) wieder was gelernt! ;)

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Ich bin mir sicher, dass der Arbeitgeber das Führungszeugnis zahlen muss, ganz egal, ob er gesetzlich verpflichtet ist, dies zu tun oder auch nicht.

    Die Verpflichtung zum Einblick in das erweiterte Führungszeugnis, ergibt sich aus dem § 72a des SGB VIII.

    Die verpflichtung, die Kosten dafür tragen zu müssen, ergibt sich, meiner Meinung nach aus dem §670 BGB.

    Hier ist ein sehr guter Artikel, der die Rechtsgrundlage, meiner Meinung nach gut beleuchtet.

    Weitere gute Beiträge dazu: hier und hier

  • Max
    Dass der AG das zahlen muss ist klar und unstrittig. Der AG weigert sich aber einfach die Kosten zu übernehmen. Sprich es geht hier darum, wie man den AG dazu motiviert sich an das Gesetz zu halten... (Wir reden hier über Kosten von irgendwas um die 20 Euro. Sprich der AG spekuliert hier darauf, dass sich eine Klage nicht lohnt. Und da der AN ein solches Zeugnis a) bringen muss und b) auch nur selber beantragen kann, lehnt sich der AG zurück und sagt: "Her mit dem Zeugnis, aber bezahlen tu ich nichts. Und? Was willst du jetzt machen?")

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Hallo,

    ich würde hier als BR durchaus die Mitbestimmungsschiene fahren. Zwar besteht bzgl. des prinzipiellen Erfordernisses der Vorlage kein Handlungs- und damit kein Mitbestimmungsspielraum, aber es besteht vermutlich ein Handlungs- und damit Mitbestimmungsspielraum darüber, wie oft ein Führungszeugnis beizubringen ist ("regelmäßig" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff). Dazu ist auch der Umgang mit Daten aus dem Führungszeugnis, die nicht das Beschäftigungsverhältnis betreffen, zu regeln (Umgang mit nicht einschlägigen Einträgen, Löschfristen etc.).

    Und dann schreibt man in die BV eben das eigentlich klare Statement zur Kostentragung...

    Man muss dem AG nur verdeutlichen, welche Kosten eine Nichteinigung dazu mit dich bringt. Bestreitet er die Mitbestimmung und/oder verweigert Verhandlungen über eine BV, klagt der BR. Anwalts- und sonstige Kosten im vierstelligen Bereich, bei längerem Instanzenweg ggf. auch mehr. Ist der BR nicht offensichtlich unzuständig (und da Handlungsspielräume da sind, wird ein Gericht das vmtl nicht feststellen), wird das ArbG eine Einigungsstelle einsetzen, Kosten hier eher schon im fünfstelligen Bereich...

    Grüsse Winfried

    "Wenn Arbeit etwas schönes und erfreuliches wäre, hätten die Reichen sie nicht den Armen überlassen." (Paul Lafargue)

  • Hallo,

    vielen Dank an alle für Eure Ausführungen. Werden unser Mitbestimmungsrecht in dieser Sache weiter verfolgen.

    Werde Euch weiter über den Vorgang informieren. Also vielen Dank erstmal.

    mfg frank:D

  • Team-ifb

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