Gültige Beschlussfassung

  • Liebe Forums-Mitglieder,

    wir haben seit April einen neuen Geschäftsführer, der sich scheinbar sehr auf das Thema "Betriebsrat" freut und bereits "formellen" Druck macht.

    Seine Schulung zum BR-Thema wird erst im Mai stattfinden, allerdings konfrontiert er uns nach einem von uns gefassten Entsendebeschluss zu Schulungen mit folgenden Themen:

    - Er ist der Meinung, der Beschluss war ungültig, da "eine eigenhändig durch die Mitglieder des BR unterzeichnete Anwesenheitsliste vorzulegen sei, als Nachweis zur Gültigkeit der Beschlussfassung." --> Frage an das Forum: Stimmt das? Den Beschluss unterschreiben muss doch nur der Vorsitzende und die Aussage des BR, dass die Beschlussfähigkeit des Gremiums vorlag, müsste ausreichend sein, oder? Es kommt tatsächlich dazu, dass wir keine Anwesenheitsliste im Protokoll haben, obwohl alle 5 Mitglieder anwesend waren. Aber ist durch das Fehlen der Anwesenheitsliste, die der GF als Teil des Protokolls doch gar nicht einsehen darf, der Beschluss wirklich unwirksam??

    - Es geht um eine Entsendung zweier BR-Mitglieder zum Thema "Psychische Gefährdungsbeurteilung". Der GF zweifelt an, dass dieses Thema erforderlich ist und dass unzureichender Kenntnisstand vorliegt. Des Weiteren verlangt er eine Erklärung, warum 2 Mitglieder und nicht nur 1 diese Schulung benötigen.
    --> Frage an das Forum: Liegt es nicht im Ermessen des BR, die Erforderlichkeit zu beurteilen und mehr als nur ein Mitglied in einem 5er -Gremium (1 Jahr alt) zu schulen? Inwieweit muss der BR "zufriedenstellend" der GF begründen, warum nicht genug Kenntnisse vorliegen?

    (Zitat Mail GF: "Daher noch einmal die Forderung darzustellen, welche konkrete Erfordernis die Verbesserung der Kenntnisse des BR in dieser Hinsicht begründet und vor allem, wieso 2 Personen die Schulung besuchen müssen.")


    Vielen Dank für Euer Feedback und beste Grüße,

    INK

    Zusatz: Der Schulungsbeschluss wurde letzten Freitag, 31.3.17 an die alte Geschäftsführerin (cc neuer Geschäftsführer) verschickt. Der neue Geschäftsführer ist offiziell erst seit 1.4. Geschäftsführer. Wer ist rechtlich für die Freigabe zu diesem Zeitpunkt zuständig? Oder reicht die einfache Übergabe innerhalb einer bestimmten Frist?

  • Ihr solltet euch dringend mal mit § 34 BetrVG beschäftigen!

    Dort heißt es deutlich:

    Der Niederschrift ist eine Anwesenheitsliste beizufügen, in die sich jeder Teilnehmer eigenhändig einzutragen hat.

    D.h., ja, ohne eine solche Anwesenheitsliste werdet ihr nie die Rechtmäßigkeit eurer Beschlüsse nachweisen können.

    Allerdings irrt euer GF gewaltig, wenn er glaubt, er hätte das Recht diese Liste geliefert zu bekommen. Er darf selbstverständlich den Weg vor das ArbG gehen und die Rechtmäßigkeit des Beschlusses anzweifeln, dann müsst ihr dort (und nur dort!) das Protokoll und die Anwesenheitsliste vorlegen.

    Für den normalen Geschäftsbetrieb reicht es völlig aus, dass der Vorsitzende mitteilt, welche Beschlüsse gefasst wurden. Wenn dem GF das nicht reicht: oben steht der Weg...

    (Da fragt man sich natürlich, ob ihm das ein Vögelchen gezwitschert hat, oder ob er nur auf's Geratewohl mit Steinen wirft... abhängig von Eurer Einschätzung dazu könnt ihr jetzt nachträglich eine Anwesenheitsliste erstellen (so ihr denn verlässlich nachvollziehen könnt, wer alles da war) oder einfach auf der nächsten Sitzung eine entsprechende Anwesenheitsliste führen (so etwas solltet ihr als Formular fertig in der Schublade haben, die braucht ihr für jede(!!!) Sitzung) und den Beschluss wiederholen.))

    Was die inhaltliche Diskussion angeht, solltet ihr schon klar machen können, warum das Thema bei euch interessant ist. Einfach nur, weil es gerade so schön interessant klingt reicht nicht aus!

    Aber woher solltet ihr denn die nötige Fachkenntnis haben? Seid ihr Psychologen oder Fachkräfte für Arbeitssicherheit? Nein? Dann sollte das Thema geklärt sein.

    Und warum 2 und nicht nur 1? Gegenfrage: das Gremium entscheidet in seiner Gesamtheit und braucht dazu entsprechende Kenntnisse. Also warum eigentlich nicht alle 5? Und deswegen sollt der AG doch glücklich sein, dass ihr nur 2 schicken wollt!

    Im Übrigen würde ich ihm § 37 (6) BetrVG unter die Nase halten. Hält der AG die betrieblichen Notwendigkeiten nicht für genügend berücksichtigt steht ihm der Weg in die E-Stelle frei! Zickt er weiter rum, sucht ihr euch halt einen Anwalt und ruft das ArbG an. (Aber dafür braucht ihr ein wasserdichtes Protokoll und eine Anwesenheitsliste, denn ein Anwalt, der nicht erst einmal die Rechtmäßigkeit des Beschlusses durch Nichtwissen bestreitet (und damit vom Richter verlangt, die zu prüfen!) ist sein Geld nicht wert!)

    Ich hoffe, du kannst damit erst einmal was anfangen und ein paar Dinge auf die Bahn bringen.

    NACHTRAG:

    Zitat von INK:<span>

    Wer ist rechtlich für die Freigabe zu diesem Zeitpunkt zuständig? Oder reicht die einfache Übergabe innerhalb einer bestimmten Frist?


    Das kann logischerweise nur der aktuelle sein.

    Streng genommen gibt es auch keine Freigabe, allerdings kann/darf der AG die Spielregeln festlegen. (Bei uns z.B. werden Seminare nur von HR gebucht, wir reservieren nur die Plätze.)

    Wenn ihr den neuen GF kennt und das Gefühl habt, er will nur Spielchen spielen, dann würde ich mir sofort einen Anwalt schnappen und jede weiter Kommunikation zum Thema kostenpflichtig nur über den abwickeln. (Na gut, ich würde vorher noch freundlich fragen, ob wir den wirklich brauchen, wäre kein Problem, der AG bekäme ja schließlich die Rechnung..)

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Vielen herzlichen Dank - auch für notwendige Erinnerung, dass wir wohl nicht nur diese Spezial-, sondern auch noch ein paar Grundlagenschulungen brauchen...... :)

  • Zitat von INK

    -> Frage an das Forum: Liegt es nicht im Ermessen des BR, die Erforderlichkeit zu beurteilen und mehr als nur ein Mitglied in einem 5er -Gremium (1 Jahr alt) zu schulen? Inwieweit muss der BR "zufriedenstellend" der GF begründen, warum nicht genug Kenntnisse vorliegen? (Zitat Mail GF: "Daher noch einmal die Forderung darzustellen, welche konkrete Erfordernis die Verbesserung der Kenntnisse des BR in dieser Hinsicht begründet und vor allem, wieso 2 Personen die Schulung besuchen müssen.")

    Hallo INK,

    wenn ein AG die Erforderlichkeit eines Spezialseminars bestreitet, ist es zunächst einmal dessen gutes Recht!

    Entweder könnt Ihr Eurem GF die Erforderlichkeit anhand konkreter Umstände im Betrieb darlegen oder aber müsst das dann im Zweifelsfall einem Arbeitsrichter verklickern.
    Dann solltet Ihr aber auch in der Lage sein, dezidiert begründen zu können, warum es nicht ausreichend ist, dass nur ein BRM das Seminar "Psychische Gefährdungsbeurteilung" besucht.

    Es reicht speziell bei Spezialseminaren im Zweifelsfall nämlich nicht aus, was ein Gremium meint und welchen Beschluss das Gremium entsprechend gefasst hat.

    Du kannst ja mal versuchen, diesem Forum die Erforderlichkeit darzulegen. ;)

    Zitat: "Die Vermittlung von Spezialwissen gilt nur dann als erforderlich gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG, wenn der Betriebsrat unter Berücksichtigung der konkreten Situation im Betrieb und des Wissensstands im Gremium die Spezialkenntnisse demnächst benötigt, um bestimmte Aufgaben sachgerecht erfüllen zu können (BAG vom 15.05.1986 – 6 ABR 64/83).

    Ein Spezial- oder Vertiefungsseminar ist ferner dann erforderlich, wenn sich einzelne Mitglieder im Rahmen ihrer Betriebsratstätigkeit mit speziellen Themen beschäftigen, z. B. weil sie Mitglied in einem Ausschuss sind (BAG vom 15.06.1976, AP Nr. 12 zu § 40 BetrVG 1972)."

    Unabhängig davon stellt sich die Frage, wie Euer ASA bzgl. dieser Thematik aufgestellt ist? Denn Gefährdungsbeurteilungen gehören zu dessen essentiellen Aufgaben!

    Gruß
    Kokomiko

  • Hallöchen,

    ihr habt doch einen guten Grund an dem Seminar das sich mit der Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung beschaftigt teilzunehmen. Es gibt den § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG und die §§ 4, 5 und 6 ArbSchG.

    Außerdem das Urteil BAG vom 08.06.2004, 1 ABR 13/03 (Die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes über Gefährdungsbeurteilungen (§ 5) und über die Unterweisung der Arbeitnehmer (§ 12) sind Rahmenvorschriften im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, bei deren Ausfüllung durch betriebliche Regelungen der Betriebsrat mitzubestimmen hat.)

    LG Lawarna

  • Zitat von Kokomiko:

    Unabhängig davon stellt sich die Frage, wie Euer ASA bzgl. dieser Thematik aufgestellt ist? Denn Gefährdungsbeurteilungen gehören zu dessen essentiellen Aufgaben!

    Nich wirklich. Ich wüsste ehrlich gesagt auch gar nicht wie der das bewerkstelligen sollten.

    §11 ASiG:

    " ... Der Arbeitsschutzausschuß hat die Aufgabe, Anliegen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beraten. ..."

    Also kann man evtl machen, wenn eure SiBe`s fit sind.

    Ansonsten aber volle Zustimmung

  • Hallo Kulum,

    Du scheinst Dich mich den Aufgaben eines ASA noch nicht näher befasst zu haben (ist nicht als negativ gemeint).

    Deshalb zitiere ich mal aus der angehängten Broschüre des DGUV Spitzenverbandes:

    "Wie läuft die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen grundsätzlich ab?
    Grundsätzlich ist es günstig, die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen in bereits vorhandene Strukturen einzubinden.

    Hierzu gehört der Arbeitsschutzausschuss (ASA). Der ASA befasst sich mit Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsanliegen.

    Im ASA sitzen alle Personen, die auch bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen beteiligt sein sollten, d.h. Arbeitgeber, Betriebsrat, Betriebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit."

    Lenkt jedoch etwas von der ursprünglichen Fragestellung ab, schadet aber auch nicht. ;)

    Gruß
    Kokomiko

  • Hmm, naja ich bin ausgebildete Sifa, komme gerade von der Weiterbildung zu Gefährdungsbeurteilung bezüglich psychischer Belastung und bin als BRV Mitglied im ASA. Denke doch, dass ich mich mit dem ASA schon das eine oder andere Mal auseinandergesetzt habe. Durchführen MUSS die GBU der AG, der dies aber regelmäßig an geschulte (so hofft man wenigstens) Führungskräfte delegiert. Dass alle im ASA vertretenen an der GBU beteiligt sein sollten, ist völlig richtig und will ich gar nicht bestreiten. Du hast aber argumentiert, es gehöre zu den essentiellen Aufgaben des ASA die GBU durchzuführen. Und das stimmt so nicht.

    Bei uns hier ist GBU die gängige Abkürzung für Gefährdungsbeurteilung, sollte ich vielleicht erwähnen.

    Zu deiner Broschüre, da gibt es inzwischen bessere und vor allem neuere Sachen.

    Empfehlen kann ich die BGHM-Information 102 - da geht es ganz grundsätzlich um Durchführung der GBU, Gefährdungsfaktoren usw. Von der GDA ne super Seite mit Handlungshilfen. Auf GDA-Psyche.de Vor allem, aber nicht nur, die Handlungshilfe "Empfehlung zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen" dürfte echt hilfreich sein. auf Download klicken und dann Publikationen. Des weiteren hat die BGHM in den Fachinformationen 0052 - 0054 ganz gute Handlungshilfen zur Verfügung gestellt. Wer sich grad damit beschäftigt sollte mal ein Auge riskieren.

    Liebe Grüße

    Edit:

    Grundsätzlich schließe ich mich den bisherigen Aussagen der Forenmitglieder an. Die Anwesenheitsliste muss geführt aber nicht übergeben werden (kann man aber auch übergeben, schädlich ist das nicht). Ansonsten wird vor dem ArbG die richtige Beschlussfassung mit Nichtwissen bestritten und der Richter fordert Protokoll (und zu dem gehört die Anwesenheitsliste) ein. Spätestens dann hat der AG sowieso Protokoll + Anwesenheitsliste.

    Ist aber auch nicht so schlimm, zur nächsten Sitzung kommt der Entsendebeschluss nochmal auf die TO, dieses mal mit Anwesenheitsliste und dann sollte da nichts mehr anbrennen.

    Wissen zum Arbeitsschutz ist ganz sicher erforderliches Wissen, ihr seid da in der erzwinbaren Mitbestimmung. Ich hatte schon mit ner Anwältin zu tun, die mit einem BR ein ganzes Einigungsstellenverfahren durchgezogen hat, weil dem BR ein einziger Punkt in einer GBU nicht gepasst hat. Is n teurer Spaß, auf jeden Fall teurer als zwei BRM zum Seminar zu entsenden. Grundsätzlich benötigt aber jedes BRM diese Spezialkenntnisse, insofern seid ihr fast noch lieb, wenn ihr nur zwei BRM zu so etwas entsendet.

    So, jetzt ist der Beitrag wenigstens nicht mehr völlig offtopic ;)

  • Und da der Betriebsrat zwei BRM in den ASA entsendet (s. § 11 ASiG), ist doch wohl klar, dass mindestens die zwei zu den Schulungen müssen... q.e.d. ;)

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Die Durchführung der GBU hat erstmal nix mit dem ASA zu tun. Insofern hinkt die Beweisführung ein wenig. Aber man könnte damit argumentieren, dass dies die beiden ersten sind, die zu dem Thema geschult werden, da diese sich sowieso vertieft mit dem Arbeitsschutz beschäftigen. Es könnten auch evtl. die einzigen bleiben, die dann eben dem BR dieses Thema aufbereiten wenn es auf der TO steht. Der Seminaranbieter hilft normalerweise auch bei der Argumentation gegenüber dem AG

  • Liebe Alle,

    besten Dank für Eure vielen Kommentare, die echt sehr hilfreich sind!

    Wir zwei zu entsendende BRM sind tatsächlich Psychologinnen und ich zusätzlich noch Sicherheitsbeauftragte für unseren Standort, allerdings haben wir keine fundierte Ausbildung o.Ä. bzgl. des Themas psychische Gefährdungsbeurteilung, sehen aber den großen Bedarf ebenso wie unsere Standortleiter. Unser örtlich und persönlich weit entfernter Geschäftsführer ist, wie gesagt, erst den 3. Tag "im Amt".

    Unser FaSi und Sicherheitsverantwortlicher für DACH unterstützt unser Vorhaben ebenfalls (zumindest die Fortbildung für mich), obwohl er der Meinung ist, dass wir "schon alles richtig machen" bzgl. psychischer Gefährdungsbeurteilung. Diese beschränkt und erschöpft sich allerdings lediglich auf das eine (!) Risiko "Burnout" und wurde nicht in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern erhoben, sondern nur als Copy-Paste von anderen Standorten in die Gefährdungsbeurteilung übernommen.

    Wir als BR haben nun auch nicht den Anspruch, es danach selbst durchzuführen, was unserer Meinung nach professionelle Personen machen sollten, wollen uns aber in dem Thema auskennen, um unsere Überwachungsfunktion wahrnehmen zu können.

  • Oha, wenn ihr tatsächlich burnout als einzige psychische Belastung in GBU behandelt, behandelt ihr die psychische Belastung quasi gar nicht. Zuallererst, es werden Arbeitsplätze betrachtet, nicht die Auswirkung auf den Menschen, die steht fest. Betrachtet werden Sachen wie Ganzheit der Arbeitsaufgabe, wie qualifiziert sind die Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Arbeitsaufgabe, Arbeitsdichte, Qualifizierung der Führungskräfte usw. Dein FaSi ist übrigens ein Sifa ;)
    Und nur Mut, ihr könntet durchaus auch Gefährdungsbeurteilungen selber durchführen, das ist kein Hexenwerk ;)

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.