4 Monate Arbeitszeit durch Betriebsversammlungen

  • Hallo zusammen,

    ich habe hier ein recht kurioses, aber für alle Beteiligten sehr unschönes Problem, was sich durch die etwas seltsam anmutende Überschrift knapp zusammenfassen lässt.


    Kurz zu den Fakten:

    Wir sind ein kleiner Versandhändler aus dem Raum Konstanz mit knapp 25 Mitarbeitern.
    Seit etwa 1,5 Jahren haben wir einen Betriebsrat, dem auch ich angehöre.
    Wie es sich gehört, halten wir einmal im Quartal eine Betriebsversammlung ab, die bislang immer im Zeitrahmen von 4-5 Stunden war.
    So weit - so normal.

    Wir haben einige Mitarbeiter von "Außerhalb". Daraus resultierend:
    Einige EDV-Angelegenheiten (Datenbankpflege- und Programmierung) hatten wir in der Vergangenheit ausgegliedert an eine kleine Firma in Mecklenburg-Vorpommern. Kein großes Auftragsvolumen und alles per Fernwartung bzw. eventuell mal einem Treffen im Jahr mit einem Verantwortlichen.
    Diese Firma mit 5 Mitarbeitern musste im Herbst 2015 Insolvenz anmelden. In Folge dessen entschied sich unsere Geschäftsführung folgenden Deal einzugehen, da man mit der Arbeit sehr zufrieden war/ist:
    Alle fünf Mitarbeiter bekommen bei uns einen unbefristeten Vertrag auf 5-Stunden Basis pro Woche. Können weiterhin von Meck-Pom aus arbeiten und haben noch genügend freie Valenzen, um sich um weitere Arbeitsverhältnisse, neue Selbständigkeit etc. zu kümmern. Alle Beteiligten waren zufrieden. Für den Arbeitgeber gestaltete sich dieses Modell mehr oder weniger kostenneutral zur vorherigen Situation.


    Soweit die Vorgeschichte/Randbedingungen.
    Nun zum Problem:

    Die fünf Kollegen haben nun mitbekommen, dass sie das Recht haben unter vollen Vergütungsansprüchen an den Betriebsversammlungen teilzunehmen und wollen dies ab der nächsten Versammlung auch nutzen.
    (Zur Erinnerung: Konstanz Meck-Pom)
    Dies bedeutet im Klartext:
    ca. 9-10 Stunden Fahrt hin und zurück (=18-20 Stunden) + ca. 4-5 Stunden Versammlung = 22-25 Stunden.
    Somit durch die geringe Wochenstundenzahl ungefähr ein gesamter Arbeitsmonat pro Nase. Und das viermal im Jahr. Zuzüglich Reise- und Übernachtungskosten pro Versammlung von etwa 2.000-2.500 €, ergo ca. 8-10.000 € im Jahr.


    O-Ton Geschäftsführung: "Die haben doch den Schuss nicht gehört - das können die doch nicht machen."
    Unsere Antwort lautete (leider): "Doch, sie können und dürfen."

    Wir haben in diesem Fall natürlich Verständnis für die Geschäftsleitung. Diese Aktion der Kollegen bedeutet in etwa eine Verdoppelung (!!) der Personalkosten für diese.
    Die Geschäftsleitung ist (verständlicherweise) der Meinung, dass dies nicht tragbar ist und auch der übrigen Belegschaft gegenüber nicht zu verantworten wäre.
    Aber unserer Ansicht nach gibt es keine (legale) Möglichkeit dieses Vorgehen der Kollegen zu verhindern.

    1) Die Reise- und Übernachtungskosten sind unstreitig zu Übernehmen.
    2) Die Reise- und Versammlungszeit ist unstreitig wie Arbeitszeit zu vergüten.

    Wir als Betriebsrat sind hier sehr in der Zwickmühle. Die Geschäftsleitung hat uns bereits informell angekündigt die betreffenden Mitarbeiter unter diesen Umständen nicht länger beschäftigen zu wollen.
    Wir haben mit den Mitarbeitern auch schon gesprochen. Sie sind was das angeht uneinsichtig.
    Hintergrund ganz offen gestanden: Die Betriebsversammlung ist ihnen im Grunde schnurzegal, aber das zusätzliche Geld können sie im Moment gut gebrauchen. :evil:


    Hat hier vielleicht jemand einen Rat, wie wir uns in diesem sehr speziellen Fall positionieren sollten?
    Was können wir tun, um allen gerecht zu werden? Gibt es villeicht Ausnahmen/Schlupflöcher, wenn die Teilnahme an einer Betriebsversammlung für den AG eine besondere Härte darstellt oder so ähnlich? (Vermutlich eher nicht...)

    Bin für jede Hilfe dankbar! :idea:


    Gruß vom
    Fragezeichen

  • Moin,

    was wäre denn, wenn euer Vorsitz dort hin fährt und eine Teilversammlung abhält? Wenn er gut ist, ist er am selbern Tag zurück.

    Wären die Kollegen nicht als anderer Betrieb (entfernung nach §4) zu sehen und somit dürften diese nicht zu euch fahren?

    Just my 2 cents.

  • Zitat von Gismo

    was wäre denn, wenn euer Vorsitz dort hin fährt und eine Teilversammlung abhält?

    Die Lösung ist vielleicht gangbar. Die Kollegen verspüren dann vielleicht keine Lust mehr an einer BV teilzunehmen. Aber ist es Aufgabe des BR dieses Problem zu lösen?

    Der AG hätte, statt die EDVler einzustellen, auch Honorarverträge mit ihnen schließen können. Hat er aber offensichtlich nicht gewollt und so das Problem selbst geschaffen. Nun soll er es doch selbst lösen.
    Dass er dabei die Wirtschaftlichkeit der EDV-Betreuung prüft wundert mich nicht. Wenn die Kollegen deshalb im Rahmen einer Umstrukturierung ihren Job verlieren sollten, wundert mich dies ebenso wenig. Verwundert wäre ich nur, wenn die EDVler davon überrascht wären.
    Mir drängt sich der Verdacht auf, dass sie es bewusst darauf anlegen.

  • Hallo,

    Betriebsversammlungen von 4-5 Stunden, wow. Wie hoch ist denn da die Aufmerksamkeitsquote? Egal. Ihr seid ein EDV Unternehmen? Schon mal an Videoteilnahme gedacht?

    Gruß

    Hubertus

    Ich habe als Kind nicht laufen gelernt um heute zu kriechen.

  • So ganz generell mal sehe ich das auch so, dass das ein (hausgemachtes) Problem des AG ist. (Frei nach Goethes Zauberlehrling: Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los...)

    Einen eigenen Standort werden die 5 AN wohl nicht bilden, da, so habe ich das verstanden, sie von zu Hause arbeiten. D.h. es sind 5 einzelne Heimarbeiter, die dem Hauptbetrieb zuzuordnen sind. (Gleichwohl könnte der AG sich hier überlegen, sich auf den Standpunkt zu stellen, und wenn ihr als BR den Standpunkt akzeptiert, müssten die Kollegen sich selber darum kümmern.)

    Am zielführendsten ist wohl noch die Variante mit der Abteilungsversammlung. Denn einen oder zwei BRM dahinzuschicken, dürfte (deutlich) billiger sein als alle fünf zu euch zu holen.

    Mehr Zugeständnisse/Angebote kann der BR aus meiner Sicht nicht machen.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Erstmal Danke für Eure Antworten und Anregungen.

    Ein bisschen unfair finde ich die Reaktion einiger gegnüber dem AG. Von wegen dem hausgemachten Problem - ich habe das Gefühl, hier schwingt ein wenig Häme mit.
    Meiner Ansicht nach unangebracht. Man hat den Leuten unter die Arme gegriffen, als die Not nach der Insolvenz am größten war. Man hat ihnen einen 451 € Job gegeben, damit sie kranken- und sozialversichert sind.
    Diesen kuriosen Fall, wie er jetzt auftritt, konnte niemand ernsthaft vorhersehen.

    Wir im BR sind uns einig, dass es damals ein feiner Zug unseres AG war und stehen in dieser Sache eigentlich hinter ihm - finden das Verhalten der Kollegen nicht OK - aber das Recht steht nunmal auf ihrer Seite.

    Für einen eigenen BR des Fünfertrupps sehe ich keine Möglichkeit (und es besteht sicherlich auch kein Wille).
    Sie arbeiten im Homeoffice und haben kein gemeinsames Büro/keinen Standort im eigentlichen Sinne. Der Vertrag läuft ganz normal über unseren Standort.
    Damit scheidet ein eigener BR aus, oder?

    Ich habe zwischenzeitlich mit den Kollegen gesprochen. Sie lehnen eine Versammlung vor Ort ab. Logisch - widerspricht ja auch der Intention ihren Arbeitslohn für "Nichtstun" um ca. 1/3 zu erhöhen. Zusätzlich ein paar Nächte "Urlaub" im Jar in einem schönen Hotel in Konstanz - das hat soch was :evil:

    Haben wir die Möglichkeit die Kollegen dazu zu "zwingen" an einer Abteilungsversammlung teilzunehmen und können wir durch Anbieten dieser Abteilungsversammlung die Teilnahme an der Gesamtversammlung verbieten?

  • Zitat von Fragezeichen

    Haben wir die Möglichkeit die Kollegen dazu zu "zwingen" an einer Abteilungsversammlung teilzunehmen und können wir durch Anbieten dieser Abteilungsversammlung die Teilnahme an der Gesamtversammlung verbieten?

    Hallo,

    lies dir das mal durch: Arbeitnehmer, die entweder in organisatorisch oder räumlich abgegrenzten Betriebsteilen beschäftigt sind, sind in Abteilungsversammlungen (zwei der vier Pflichtveranstaltungen) zusammenzufassen, wenn dies für die Erörterung der besonderen Belange dieser Arbeitnehmer erforderlich ist (§ 42 Abs. 2 S. 1 BetrVG).

    Fettung von mir. Hilft zumindest zweimal im Jahr.

    Gruß

    Hubertus

    Ich habe als Kind nicht laufen gelernt um heute zu kriechen.

  • Hallo Hubertus,

    warum beschränkst du es auf zwei der vier Pflichtveranstaltungen? Diese Eigenart des Betriebes besteht doch immer! Somit können doch alle vier als Abteilungsversammlung stattfinden.

    Gruß, Fantil

    Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung ändern können.

  • Zitat von Fantil

    warum beschränkst du es auf zwei der vier Pflichtveranstaltungen?

    Hallo,

    Steht so im Betriebsverfassungsgesetz §42 Punkt 3 Abteilungsversammlung

    Liegen die Vorraussetzungen für die Durchführung von Abteilungsversammlungen vor, hat der BR in jedem Kalenderjahr zwei Betriebsversammlungen als Abteilungsversammlung durchzuführen.

    Aber wo kein Kläger, da kein Richter.

    Gruß

    Hubertus

    Ich habe als Kind nicht laufen gelernt um heute zu kriechen.

  • Hallo Hubertus,

    Du meintest § 43 (1) BetrVG?

    In dem mir vorliegenden § 42 gibt es keinen Punkt 3.

    in § 43 (1) steht... siehe unterstrichenen Text unten.

    Und dann sind wir doch bei vier Abteilungsversammlumgen pro Jahr.

    Gruß Fantil

    § 43 Regelmäßige Betriebs- und Abteilungsversammlungen

    (1) Der Betriebsrat hat einmal in jedem Kalendervierteljahr eine Betriebsversammlung einzuberufen und in ihr einen Tätigkeitsbericht zu erstatten. Liegen die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 Satz 1 vor, so hat der Betriebsrat in jedem Kalenderjahr zwei der in Satz 1 genannten Betriebsversammlungen als Abteilungsversammlungen durchzuführen. Die Abteilungsversammlungen sollen möglichst gleichzeitig stattfinden. Der Betriebsrat kann in jedem Kalenderhalbjahr eine weitere Betriebsversammlung oder, wenn die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 Satz 1 vorliegen, einmal weitere Abteilungsversammlungen durchführen, wenn dies aus besonderen Gründen zweckmäßig erscheint.

    ...

    Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung ändern können.

  • Hallo Hubertus,

    es scheint sich um einen Kommentar zu handeln...:)

    Aber dort steht, wie du schon schriebst:

    "Liegen die Vorraussetzungen für die Durchführung von Abteilungsversammlungen vor, hat der BR in jedem Kalenderjahr zwei Betriebsversammlungen als Abteilungsversammlung durchzuführen."

    Für mich ist dies eine Mindestens-Bestimmung und es dürfen durchaus auch vier pro Jahr sein, wie es im § 42 BetrVG ermöglicht wird.

    Es steht dort nich, dass es nur zwei sein dürfen.

    Gruß, Fantil

    Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung ändern können.

  • Hallo Fantil,

    ich hab ja schon geschrieben: wo kein Kläger da kein Richter. Ich glaube nicht, dass die MA in MeckPom das gerichtlich überprüfen lassen.:D

    Gruß

    Hubertus

    Ich habe als Kind nicht laufen gelernt um heute zu kriechen.

  • Was noch nicht beantwortet wurde: Haben die 5 MA nun beschlossen sich der BR-Wahl bei Euch in Konstanz anzuschließen? Haben sie bei Eurer Wahl auch mitgewählt?

    Solange diese hier nicht integriert sind, dürften sie m.E. auch nicht an Betr.versammlungen bei Euch teilnehmen.

  • Zitat von Fragezeichen

    Ein bisschen unfair finde ich die Reaktion einiger gegnüber dem AG. Von wegen dem hausgemachten Problem - ich habe das Gefühl, hier schwingt ein wenig Häme mit.

    Sorry, aber das hat weder etwas mit Fairnis noch mit Häme zu tun.

    Die Entscheidung die Kollegen als 400-Euro-Jobber anzustellen oder ihnen einen Beratervertrag zu geben konnte nur der AG treffen. Ich sehe es genauso wie du, dass es eigentlich begrüßenswert ist, was der AG hier getan hat. Und juristisch mag es korrekt sein, was die Kollegen da veranstalten, moralisch ist es nicht. (Zumindest vor dem Hintergrund, dass sie die Veranstaltung an sich nicht interessiert, sondern es ihnen nur um das Geld geht.)

    Aber, und das ist der Knackpunkt, es ist kein Problem, dass der BR lösen kann. Er hat die Verträge nicht geschlossen und er muss sich an seine rechtlichen Grundlagen halten. Deswegen war mein Vorschlag eine Abteilungsversammlung vor Ort zu machen.

    Insofern würde ich als BR das hier

    Zitat von Fragezeichen

    Sie lehnen eine Versammlung vor Ort ab.

    komplett ignorieren. Die Entscheidung treffen nicht sie, die trifft der BR. Und mit so einem kleinen Teilnehmerkreis, wird die Veranstaltung auch sicher nicht so lange dauern. Es steht den Kollegen aber frei sich beim ArbG vorzustellen und ihr vermeintliches Recht einzuklagen. Aufgrund der Kosten und der Besonderheiten ihrer Beziehung zur Firma (keine Einbindung in laufenden Betrieb, Betreuung eines EDV-Systems), lässt sich eine solche Abteilungsversammlung locker verargumentieren.

    Und ja, als Heimarbeiter gehören sie, wann auch immer sie in die Firma eingetreten sind, zum Hauptbetrieb, da gibt es keine zwei Meinungen zu! Man wird sie also nicht ignorieren können, aber über o.g. Weg ihnen zumindest den Wind aus den Segeln nehmen.

    Wer fragt ist ein Narr - für fünf Minuten. Wer nicht fragt bleibt ein Narr - sein Leben lang!

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.