Eigeninitiative des BR bei Kündigungsgesprächen?

  • Hallo,

    wir diskutieren im BR ob der BR eine Eigeninitiative zeigen soll wenn...

    Einem Angestellten soll wegen Minderleistung gekündigt werden. Um zu vermeiden dass der MA vor der Kenntnisnahme die Flucht ergreift, wird er vom Abteilungsleiter in sein Büro eingeladen. Weiterhin ist ein BRM eingeladen worden. Thema "Arbeitsgespräch".

    Der BR weiß, dass es um Kündigung geht. Soll er Eigeninitiative ergreifen und zum MA gehen um ihn vorab zu beraten? Bei uns ist das nicht geschehen.

    Der MA lief ins offene Messer. Als er das Büro betrat saß da der nicht offiziell eingeladene Personalchef und der Abteilungsleiter. Der BR hatte die Teilnahme abgelehnt.

    Eigeninitiative, ja oder nein? Die Crux ist ja, dass "Fluchtgefahr" besteht andererseits der BR sein Beratungsrecht wahrnehmen sollte.

    LG

    Claudia

  • Hallo Claudia was Recht ist kann ich dir leider nicht Sagen. Aber bei uns finden grundsätzlich wenn so etwas bekannt ist Gespräche vorher statt. Und ein BR der zu so einem Gespräch nicht hin geht um einen Kollegen zu unterstützen hat meiner meinung nichts im BR zu suchen.

    MfG

    Sus

  • Hallo Claudia,

    blöde Situation, aber machbar. Vorab zwei Fragen:
    Was habe ich unter "Fluchtgefahr des Mitarbeiters" zu verstehen? Warum hat der BR nicht teilgenommen?

    Unfair vom AG ist es natürlich, den Mitarbeiter zu einem "Arbeitsgespräch" zu laden und ihm nicht mitzuteilen, wer die Teilnehmer sind. Dann hat der Mitarbeiter ja nicht wirklich eine Chance zu entscheiden, ob er denn vom BR vertreten werden möchte. Weiterhin frage ich mich, hat der AG den BR zum Gespräch eingeladen? Warum? Welche Rolle sollte der BR denn dabei aus AG-Sicht einnehmen? Zeuge des AG, stiller Beobachter, Interessenvertreter des Mitarbeiters oder Deko? Der AG muss den BR zu so einem Gespräch nicht einladen. Dafür gibt es ja dann das Anhörungsverfahren.
    Wenn das nochmal so vorkommt, würde ich folgendermaßen vorgehen:

    - Klären, welche Rolle der BR spielen soll, wenn ihn der AG einlädt
    - den Mitarbeiter ansprechen, dass der BR vom AG zum Gespräch geladen wurde (Was hindert Euch daran, mit offenen Karten zu spielen? IHR seid dann wenigstens fair zum Mitarbeiter)
    - dem AG mitteilen, dass er bitte den Mitarbeiter über die Teilnehmer des Gespräches informiert (ich sage nur respektvoller Umgang miteinander!)
    - falls er sich weigert, dem AG sagen, dass ich als teilnehmender BR in diesem Fall den Mitarbeiter informieren werde
    - DENN: es geht um den Mitarbeiter und seine Interessen, dafür ist der BR da, und wenn es um Kündigung geht, sollte der Mitarbeiter das im Vorfeld wissen

    Ich würde als BR nicht die Rolle übernehmen, den Mitarbeiter von der Kündigung zu informieren. Das ist AG-Sache. Aber ich würde alles dafür tun, dass der Mitarbeiter weiß, dass ein ernstes Gespräch mit GL und Perso ansteht und es um seinen Job geht. Und den Kollegen dann fragen, ob er möchte, dass der BR in diesem Gespräch für IHN dabei ist. Falls er das dann nicht schon ohnehin selbst gefragt hat. Denn dann habt Ihr einen klaren Auftrag als BR und auch eine klare Rolle in diesem Gespräch.

    Falls der Mitarbeiter nicht vertreten werden möchte, würde ich an dem Gespräch auch nicht teilnehmen. Ich bin ja nicht die Rückendeckung der GL.

    Viele Grüße

    MP

  • Hallo,

    auch wenn es viele BRe nicht wahrhaben wollen oder konsequent ignorieren:

    ein BRM darf bei derartigen Gesprächen ohne ausdrückliche Zustimmung des AN gar nicht teilnehmen. Der BR darf auch nicht über den Inhalt des Gespräches informiert werden.

    Diese Regelung kann auch grundsätzlich nicht durch BV ausgehebelt werden.

    Das ist nun mal der Umkehrschluß aus § 82 II BetrVG.

    Um so wichtiger ist es nicht nur im geschilderten Fall, die AN darüber zu informieren, daß sie das Recht haben, ein BRM ihres Vertrauens hinzu zu ziehen und dieses auch entsprechend ggü. dem AG namentlich zu benennen.

    Bei der Terminansetzung hat der AG dann in zumutbarem Umfang auf die Verfügbarkeit des benannten BRM Rücksicht zu nehmen.

  • Zitat von whoepfner

    ein BRM darf bei derartigen Gesprächen ohne ausdrückliche Zustimmung des AN gar nicht teilnehmen. Der BR darf auch nicht über den Inhalt des Gespräches informiert werden.

    Hallo Wolfgang,

    so uneingeschränkt kann man das nicht stehen lassen. Liest man sich z.B. das Urteil des LAG Niedersachsen (22.01.2007, Az. 11 Sa 614/06) durch, findet man eine sehr dezidierte Erläuterung dieser zwei Kernaussagen:

    " Der Arbeitgeber hat es zu unterlassen, an Personalgesprächen außerhalb mitbestimmungspflichtiger Angelegenheiten gegen den Willen des betroffenen Arbeitnehmers Mitglieder des Betriebsrates bzw. Personalausschusses teilnehmen zu lassen. Bei der gebotenen Güterabwägung genießt der Schutz des Persönlichkeitsrechtes Vorrang vor den kollektivrechtlich vorgesehenen Beteiligungsrechten des Betriebsrats.

    Hat ein Personalgespräch mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten zu Gegenstand, kommt dem Informationsrecht des Betriebsrates ein größeres Gewicht zu, so dass der Arbeitnehmer jedenfalls nicht generell den Ausschluss von Betriebsratsmitgliedern verlangen kann."

    Z.B. RN 28: "So kann es durchaus sachgerecht sein, dass an Gesprächen aus Anlass einer beabsichtigten Einstellung oder Entlassung unmittelbar Vertreter des Betriebsrats teilnehmen. Es besteht auch nicht aufgrund grundsätzlicher Erwägungen Anlass, diese Möglichkeit völlig auszuschließen."

    Wie so oft, gibt es auch hier kein Schwarz oder Weiß, sondern auch Graustufen. ;)

    "Um zu vermeiden dass der MA vor der Kenntnisnahme die Flucht ergreift, wird er vom Abteilungsleiter in sein Büro eingeladen. [...]
    Der BR weiß, dass es um Kündigung geht. Soll er Eigeninitiative ergreifen und zum MA gehen um ihn vorab zu beraten? [...]
    Eigeninitiative, ja oder nein? Die Crux ist ja, dass "Fluchtgefahr" besteht andererseits der BR sein Beratungsrecht wahrnehmen sollte. [/QUOTE]
    Sorry, aber man sollte es sich doch tunlichst verkneifen, in einem solchen Zusammenhang von "Flucht" oder "Fluchtgefahr" sprechen zu wollen, da man letztere lediglich im § 112 StPO findet.

    Auch sollte man bedenken oder auch als BR wissen, dass ein AN nicht gezwungen/verpflichtet ist, an jedem Gespräch teilnehmen zu müssen, zu dem der AG geladen hat. Ein Gespräch, in dem es z.B. um die Kündigung des AV gehen soll, hätte der Kollege verweigern können.

    Dazu hat sich das BAG im Urteil vom 23. 6. 2009 (2 AZR 606/08) ausgiebig geäußert: "Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, zu jedwedem Gespräch mit dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stehen, besteht nach § 106 Satz 1, 2 GewO gerade nicht. Vielmehr begrenzt das Gesetz das Weisungsrecht auf "Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung" sowie auf "Ordnung und Verhalten im Betrieb".

    Gespräche, die mit diesen Zielen in keinem Zusammenhang stehen, können danach nicht durch einseitige Anordnung zu nach § 106 Satz 1, 2 GewO verbindlichen Dienstpflichten erhoben werden."


    Ich verstehe aber Eure Verunsicherung bzgl. der "Eigeninitiative" nicht wirlich. Als BR war bekannt, dass es in diesem Gespräch um die Kündigung des Kollegen gehen soll. Da hätte ich überhaupt keine Bedenken, vom § 102 Abs.2 Satz 4 BetrVG vollumfänglich Gebrauch zu machen: "Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören."

    Eine solche Anhörung hat für mich aber nichts mit der Beratung eines Kollegen zu tun; beraten sollte doch besser der Personenkreis, der auch zu einer Rechtsberatung ermächtigt ist.

    Als BR sollte man aber gerade beim Thema "Low Performer" betroffene KollegInnen zwingend anhören. Ich hab Dir mal einen Übersichtsartikel dazu angehängt, der deutlich macht, wie sensibel grad diese Thematik ist. Ohne Anhörung des betroffenen Kollegen vergeigt man als BR die Chance, den AG vor Ausspruch der Kündigung auf ggf. mildere Mittel hinweisen zu können.

    In diesem Sinne
    Gruß
    Kokomiko

  • Team-ifb

    Hat das Thema geschlossen.